Tgessner hat geschrieben:Als mich letztes Jahr ein älterer Gentleman übersah und ich über die Motorhaube seines Autos abgeräumt wurde, hatte ich anschliessend drei Monate Zeit, mir zu überlegen, ob ich wieder Motorradfahren sollte.
So ein Erlebnis hatte ich mit meiner GS vor beinahe fünf Jahren auch. Der Tag nach dem Unfall war ein sonniger Samstag und als ich vom Verbandswechsel mit frischem Gips am rechten Handgelenk aus dem Krankenhaus nach Hause fuhr, sah und hörte ich auf der Straße die Motorräder vorbeiziehen und wollte sofort in den Sattel. Für mich gab es nie einen Zweifel, dass ich wieder fahren würde. Aber das ist jeder anders und längeres Nachdenken mit Familie zuhause und kleinen Kindern kann ich da schon gut nachvollziehen.
ich kann die Fragen, die dich umtreiben, sehr gut verstehen. Auch ich habe eine zweijährige Tochter und meine Frau ist alles andere als begeistert von meinem Hobby, aber klug genug, es mir nicht zu vermiesen, sondern mich fahren zu lassen. Im Kollegen- und Bekanntenkreis bekomme ich aber imer wieder zu hören: Wie kannst du nur, das ist doch so gefährlich, denk an deine Verantwortung. Auch meine Frau wird - eine Mischung aus Spaß und Ernst - immer wieder angefrotzelt: wie kannst du ihm das nur erlauben etc.
Ich erwidere in solchen Momenten immer: Ja, sicher, wenn dir ein Autofahrer die Vorfahrt nimmt, kannst du nix machen, aber das kann dir auf einem Fahrrad in der Stadt auch genauso passieren und da sind die Folgen dann vermutlich noch schlimmer. Ich selber halte Fahrradfahren in der Großstadt (ich lebe in München) sogar für gefährlicher, ich erlebe jeden Tag im Straßenverehr unzählige kritische Situationen und die Unfallrate bei Radfahrern geht ja tatsächlich steil nach oben. Die Unfälle, von denen man immer wieder in der Zeitung liest, wenn ein Motorradfahrer aus der Kurve getragen wird und am Baum landet, kann man allerdings selber beeinflussen: solche Fahrer sind in meinen Augen einfach zu schnell unterwegs.
Und um das Unfallrisiko durch plötzlich erzwungene Bremsmanöver zu minimieren, habe ich für mich die Entscheidung getroffen, dass nur ein Motorrad mit ABS (das ja ab 2016 ohnehin endlich für alles Motorräder EU-weit vorgeschrieben wird, längst überfällig in meinen Augen) in Frage kommt. Ich habe selber bei Fahrsicherheitstrainings erlebt, wie bei Fahrer ohne ABS bei den Vollbremsungsübungen immer wieder mit blockierenden Reifen zu kämpfen hatten und da ich selber viel in der Stadt unterwegs bin,weiß ich, dass man immer wieder zu Schreckbremsungen gezwungen werden kann, dazu sind einfach zu viele Blödmänner (und-frauen) unterwegs.
Trotz aller Risiken, derer ich mir bewusst bin, fahre ich weiter Motorrad. Denn bei nichts anderem ist die Entspannung so groß, fällt der Alltagsstress so total von mir ab, wie bei einer Motorradtour.
..das Thema in vieler Hinsicht zutreffend und sachlich besprochen wurde. Ach ja, bei mir war es eine Polo-Fahrerin, die mich Überholenden runterholte, weil sie in dem Moment über ein breites schraffiertes Feld wenden wollte. Und kürzlich dachte ich beim Vorhaben links von einer Bundesstraße abzubiegen - Blinker gesetzt - "Wartest erstmal ab, ob das entgegenkomende Auto wirklich auch links abbiegt, so wie dessen Blinker es verheißt". Der fuhr geradeaus. Der selige Ernst Leverkus "Klacks" sagte zu meinem dabei praktizierten Denkvorgang "Wir spielen Indianer". - Aber nicht deswegen "nochmal ich".
"Wenn ein Motorradfahrer aus der Kurve getragen wird und am Baum landet" - muß das nicht an der Geschwindigkeit liegen, sondern er lernte es vielleicht nicht, das Motorrad zu führen und daher zu wissen was noch möglich ist, erschrak > Bremse und weg. Fahrerlehrgang Nordschleife sage ich da nur.
In der Hauptsache wollte ich los werden, daß die gleichen lieben Verwandten und Bekannten, für die das Moppedfahren zu gefährlich ist, sich nichts dabei denken, wenn sie ohne zu schauen über den Zebrastreifen latschen und ihre Enkel hinterher ziehen, noch schlimmer per Fahrrad mit den kleinen Kindern im Schlepptau. Da kriege ich die Krise. Diesen Kleinen wird die Unaufmerksamkeit anerzogen, von der nicht bestehenden "Vorfahrt" mit dem Fahrrad auf dem Zebrastrefen mal ganz abgesehen.
Na ja, weiter mit der amtlichen Pseudosicherheit: Mit 16 Jahren erwarb ich den Führerschein 4. Das lief so ab: Ein theoretische Prüfung und fertig war der Lappen ! Bis 250 cm³ durfte ich alles fahren. Zwei Jahre später Klassen 1 und 3. Das lief so ab: DREI Fahrstunden auf einem Opel Rekord. Der Fahrlehrer wußte, daß ich Motorrad fuhr, damit war das für ihn erledigt. Von einem Bekannten lieh ich mir eine 250er Puch und fuhr zur Prüfung. Ich fuhr hinter dem Prüfer her sowie einen Kringel auf der Straße. "Wenn Sie genau so anständig Auto fahren wie Motorrad ist alles klar" sagte der Prüfer.
Nun wird mancher sagen "Anarchie!" Vielleicht, aber ich frage mich, was einer in der Fahrstunde auf dem Motorrad auf der Autobahn oder Schnellstraße lernt - wie man nicht einschläft ? Und die Pylonenumrunderei ? Nicht ganz für die Katz, höchstens für die Balance bei langsamer Fahrt nützlich. Dagegen "Wenn ein Motorradfahrer aus der Kurve getragen wird und am Baum landet" hilft das nicht, und wenn er wie ich nach 27 Jahren zum ersten Mal auf der Nordschleife bei moderatem Tempo das Gerät nach der Kurve mit Gas am weißen Strich aufrichten soll, dann "schielt" er genau wie ich damals.
ich freue mich über die enorme Teilnahme bzw. die vielen Kommentare. Es ist gut zu wissen, dass eine Menge fürsorglicher Väter auch auf zwei Reifen ihr Unwesen treiben. Ihr habt mir sehr geholfen. Über den weiteren Verlauf meines Projektes XT1200 werde ich berichten. Heute holt der neue Besitzer meine alte XT660z (ohne ABS) ab.