Where the streets have no name

Strassenfeger

Where the streets have no name

Beitrag von Strassenfeger »

Am Sa. 13.5. bin ich eine (autobahnfreie) 684 km Tour gefahren in die Berge östlich vom Gardasee.

Dabei habe ich eine unbefestigte Straße ausprobiert abgehend von der SP81 zum Passo Coe SP143.
Wie nett war der Start auf einem niedlichen Sträßchen, umkränzt von grün.

Ein für mich uneindeutiges Fahrverbotschild hatte im Zweifel für hinfällig ausgelegt und bin dann auf ca. 23 km die wildesten Mountain-Bike Trails gefahren.
Vielleicht nicht die klügste Entscheidung, zumal ich alleine war.
Es war für meine Verhältnisse ein brutales Unterfangen, bergauf, bergab auf Geröll oder fallweise gar Matsch zu fahren.

Einige Radelberger (oder heisst es Bergradler ?) auf die ich unterwegs traf waren ziemlich perplex ob meiner Erscheinung.
Die an mich gerichteten Kommentare (ich nix italiano) konnte ich im Vorüberfahren aufgrund der Sprachbarriere leider nicht eindeutig interpretieren.

Einmal hätte ich mir eine ABS-freie Bremse gewünscht, denn „vor lauter Schiss“ habe ich mich bergab in tiefes Geröll hinein verfahren und steckte fest.
Es ging keinen Millimeter nach vorne und nach hinten schon gar nicht, große Steinbrocken blockierten das Vorderrad.
Musste schwer überlegen was ich nun machen sollte:
a. Einen Bergedienst anfordern per Handy.
b. Maschine einfach umwerfen und danach weiter schauen was ich tun könnte.
c. Versuchen abzusteigen und die größeren Steine vor dem Vorderrad zu entfernen, während ich das Motorrad irgendwie in der Senkrechten halte.
d. Mit viel Gas und viel Mut versuchen mich frei zu fahren.

Es war dann d. :
Mit viel Glück konnte ich mit einem wilden Satz nach vorne ausbrechen, dabei trat aber ein starkes kratzendes Geräusch unter dem Motor auf.
Was war ich froh mit meiner Worldcrosser Ausstattung einen massiven Motorschutz zu haben.
Nur eine Schramme im Unterfahrschutz.
Mittlerweile war die Tankanzeige auf Reserve gegangen.
Bergauf, bergab, mehr hüpfend als fahrend ging es voran.
Spitzkehren, Hohlwege, Abgründe, das alles brachte mich arg zum Schwitzen, setzte mich unter Daueranspannung.
Wie weit kann es denn noch sein - bis zum Ende dieser Odyssee ?

Handy Batterie beinahe entladen, sehr beunruhigend.
Langsam reichte es mir.

Auf einem Wegstück waren noch Reste von einer Rodung vorhanden.
Mit meiner neuesten Erkenntnis, nur schnell ist stabil, brauste ich darüber hinweg.
Plötzlich eigenartige rumpelnde Geräusche und Schläge aus dem Bereich des Kardanantriebes unter mir.
Ich brachte die Maschine so rasch wie möglich zum Stillstand und dachte an einen Kardanschaden.

Der Blick unter das Motorrad zeigte:
Ein ca 4 cm starkes und ca 60 cm langes Aststück hatte sich irgendwie am Hauptständer verklemmt.
Es ließ sich nicht herausziehen.
Durch eine Hebelbewegung konnte ich den Ast dann aber abbrechen und er fiel in zwei Stücken ab.

Ich setzte die Fahrt fort und war extrem erleichtert, beim Passo Coe endlich wieder Asphalt unter die Rädern zu bekommen.
Im dortigen Gasthaus musste ich sofort meine akute Dehydration behandeln.
Vor Stolz und Erleichterung ob des bestandenen Abenteuers fühlte ich mich wie ein Held.
Ich glaubte vor Euphorie zu triefen, es war dann aber doch nur der Schweiß.

Meine Erkenntnisse von diesem Abenteuer mit diesem Brocken von Motorrad:
a. Begib dich nicht alleine in gefährliches, unbekanntes Terrain.
b. Die XT1200Z steckt unbeeindruckt ordentlich was weg (steinigen, pfählen).
c. Die Reifen Pirelli Scorpion Trail 2 funktionierten besser als ich es mir vorgestellt hätte unter diesen Bedingungen.
(es war aber auch trocken bis auf wenige, flache Stellen mit etwas Matsch).
d. Zu niedrige Geschwindigkeit macht das Fahren anstrengender und unsicherer als mit „Schmackes“ darüber und weg.
e. Den Wunsch nach abschaltbarem ABS im Gelände kann ich nun nachvollziehen.

Glücklich und einigermaßen unversehrt sind wir (ich und meine Wuchtbrumme) dann Zuhause angekommen.
Hoffentlich bekomme ich keine Post vom Italiener (Offroad-Maut).

So was mach ich bestimmt nicht mehr ! (oder sagen wir: nur mehr legal und bestimmt nicht mehr alleine).
Irgendwie war es doch geil.

Gruß an alle Teneristi

Stefan
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jalla

Re: Where the streets have no name

Beitrag von jalla »

Schön das erlebte aufs Papier gebracht.
Ich war beim lesen voll bei dir. Nur das schwitzen war nicht vorhanden.
Danke für diese Eindrücke.
:daumen:
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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Luke »

Cooler Bericht und toll was du da erlebt hast.
Ich hätte aktuell Angst auf unbefestigten Straßen, wie diesen zu fahren.
Ich habe mir vorgenommen bei Zeiten einen Offroadkurs für Anfänger zu besuchen. Vielleicht sieht es dann anders aus...
(Ein anderer Satz Reifen wäre dann auch erforderlich :D)

Nochmals vielen Dank für deine Eindrücke ;)
Liebe Grüße vom Bodensee
Lukas

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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Tequila »

Ein sehr anschaulicher Bericht Stefan :daumen:
Das erinnerte mich an meine Gardasee Tour vorletztes Jahr. Da habe ich mich (mit meinem Sohn auf dem Sozius) auf so einem Berg Sträßchen ebenso festgefahren - aber dann wieder umgedreht :oops:
Peinlich fand ich, dass an der Stelle eine junge Frau auf einem Vespa Roller fröhlich an mir vorbei weiter den Berg hoch fuhr. :roll: Ja, manchmal ist das Gewicht der :xt12: schon echt hinderlich :mrgreen:
Viele Grüße
Heinz

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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Fun-biker »

:daumen: :daumen: Genau so :daumen: :daumen:
Deine Schlussfolgerungen deines Abenteuers habe ich auch schon verinnerlicht. Solche Touren mach ich nur zu zweit und mit einem Kumpel den ich gut und schon lange kenne.
Ansonsten machen solche Touren Spaß und ja es ist erstaunlich was mit der :xt12: so alles abseits des Asphalt's so geht.
Gruß
Volker
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Re: Where the streets have no name

Beitrag von DrWolle »

Schön geschrieben Stefan :klatsch:
ich kann Deine Gefühle gut nachvollziehen, also beim nächsten Mal nicht alleine unterwegs sein! Und denk dran, es gibt bessere Moppeds als unsere :xt12: für solche Strecken :mrgreen:
Gruß Wolle
Wer später bremst ist länger schnell;-)
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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Leone blu »

Strassenfeger hat geschrieben: Di 23. Mai 2017, 00:59...

d. Zu niedrige Geschwindigkeit macht das Fahren anstrengender und unsicherer als mit „Schmackes“ darüber und weg.
Stimmt, bei losem Grund hilft das i.d.R. Aber es gehört eine Portion Vertrauen in das eigene Können dazu und man sollte auch den Untergrund genügend genau einschätzen.
Strassenfeger hat geschrieben: Di 23. Mai 2017, 00:59...
e. Den Wunsch nach abschaltbarem ABS im Gelände kann ich nun nachvollziehen.
Ein Tipp dazu: Stelle die XT vor (!) solchen Abenteuern auf den Hauptständer und lass sie im 2. Gang ein paar sec bei ca. 6.000 rpm drehen; dann fühlt sich die ABS-Steuereinheit verarscht und quittiert (vorübergehend) den Dienst. TCS hast Du dann auch nicht mehr. Beim nächsten Motorstop und erneuter Zündung ist alles wieder im Lot.
Strassenfeger hat geschrieben: Di 23. Mai 2017, 00:59Irgendwie war es doch geil.
...
:mrgreen:

Vor allem, weil Du Dir ein sehr feines Stück Gegend für Dein Rumgetobe rausgesucht hast. Danke für die Geschichte - :daumen:

Ciao, R.
Ich freue mich, wenn's draußen regnet - denn wenn ich mich nicht freue, regnet's auch... (Karl Valentin)
Strassenfeger

Re: Where the streets have no name

Beitrag von Strassenfeger »

Danke für die netten Kommentare zu meinem kleinen Abenteuer und den Tipp mit ABS Deaktivierung.
Frage mich seit Tagen, ob ich den Virus (Offroad Infektion, Gott sei Dank nur die leichte Form) wieder los werde, den ich mir da auf leichtsinnige Weise in der nordtalienischen Bergwelt eingefangen habe.

Gruß
Stefan
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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Ewald.xtz »

Hallo Stefan,

Danke für den sehr guten Bericht und kann ich gut nachvollziehen, da ich mit meiner :xt12: auch schon manches gefahren bin,
was man der Dicken nicht immer zutraut. :o
Der ABS Tipp mit Hauptständer ist dann meistens mittendrin schon zu spät,
habe mir deshalb heuer den ABS-Schalter von OTR eingebaut, obwohl ich derartige Strecken eigentlich nicht mehr
mit der Dicken fahre, weils mit der zusätzlich zugelegten kleinen (F650GS Dakar) spassiger ist, aber im Anlass-Fall immer noch gute Option.

Kritisch wird's nur, wenn ich beim Abbiegen auf einen verlockenden Schotterweg manchmal vergesse, dass ich
eigentlich mit der Dicken unterwegs bin. :roll:

Offroad-Training habe ich mit der Dicken gemacht, das gelernte hilft dann auch bei der Kleinen weiter.

Schöne Grüße und noch viel (harmlosen) Schotterspass mit der :xt12:
Ewald
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Re: Where the streets have no name

Beitrag von Leone blu »

Strassenfeger hat geschrieben: Di 23. Mai 2017, 19:52 ...
Frage mich seit Tagen, ob ich den Virus (Offroad Infektion, Gott sei Dank nur die leichte Form) wieder los werde, ...

Gruß
Stefan
Erstmal nicht. Erfahrungen aus Langzeitstudien zeigen, dass er sehr hartnäckig ist, oft sogar jahrelang ruht und zu jeder passenden Gelegenheit wieder ausbricht.

Ciao, R.
Ich freue mich, wenn's draußen regnet - denn wenn ich mich nicht freue, regnet's auch... (Karl Valentin)
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